Willi und wie er zwei Jahrhunderte miteinander verband.
Am St. Peter Friedhof in Graz existiert ein kleines Grab. Ein sehr kleines. Es ist die Ruhestätte für Willi Dewaty – geboren am 4.10.1906 und gestorben am 27.3.1907. Der kleine Mann war also nicht einmal 6 Monate alt geworden. Die Grabinschrift sagt “Hier ruhet unser unvergeßliches Kind” und Ruhe sanft – Auf Wiedersehen. Es müssen also seine Eltern gewesen sein, die das Baby dort verlassen mussten. Wie tief berührend. Wie schlimm. Man hofft, dass der Säugling nicht leiden musste. Die Eltern taten es sicher.
Ende der 1970er Jahre, ich war selbst noch ein Kind, begannen meine Eltern, sich um dieses kleine Grab zu kümmern. Es war verwahrlost unter einer schönen großen Pinie, am Rande des Gehweges des Friedhofs, benachbart zwischen zwei schön gepflegten Gräbern. Efeu hatte sich dicht über den Grabstein gewoben, den mein Vater dann einmal begann durchzuputzen und die Inschrift freizumachen. Damit war der Auftakt gemacht und seit dieser Zeit kümmert sich meine Familie um dieses kleine Grab. Schließlich steht am Stein geschrieben […] unvergeßliches Kind […]. Das ist es, auch wenn wir es nicht kannten.
Über Jahrzehnte haben wir versucht, herauszufinden, ob es noch Verwandte gibt. Vergeblich. Die letzte Ruhestätte des Buben war nicht einmal in den Friedhofs- und Grabkataster eingetragen. Somit adoptierten wir mehr oder weniger dieses Kleinkind, denn in unseren Herzen war es längst.
2019 sollte kommen und plötzlich ein Schock:
Auf dem Grabstein fanden sich plötzlich Aufkleber der Friedhofsverwaltung, das Grab auflassen zu wollen. Gleich am nächsten Tag des Entdeckens setzten wir alle Hebel in Bewegung, dies zu verhindern. Das Grab schien ja offiziell nicht auf; es war gar nicht so einfach, dieses Unterfangen zu bewerkstelligen. Aber “wo ein Willi ist, ist auch ein Weg“.
Wir ließen das Grab eintragen, und haben es nun einmal für weitere zehn Jahre bezahlt. Gemeinsam, als Familie. Derzeit betreue hauptsächlich ich das Grab; nicht nur, weil ich in Graz wohne, sondern einfach, weil mir die Geschichte gut tut, und ich hier meinem 2018 verstorbenen Vater so nahe bin wie sonst nirgends. Ich führe weiter, was er begonnen und mit meiner Mutter über mehr als 40 Jahre redlich gemacht hat.
Niemand ist vergessen, solange man an ihn denkt…
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… a little boy named Willi.
Willi and how he connected two centuries.
There is a small grave at the St. Peter cemetery in Graz. A very small one. It is the resting place for Willi Dewaty – born on October 4th. 1906 and died on March 27, 1907. So, the little man wasn’t even 6 months old. The tombstone inscription says, “Here rests our unforgettable child” and Rest softly – Doodbye. It must have been his parents who had to leave their baby there. How deeply touching. How terrible. One can only hope that the infant did not have to suffer. His parents surely did.
In the late 1970s, when I was a child myself, my parents started watching this little grave. It was neglected under a beautiful large pine tree, on the edge of the cemetery sidewalk, adjacent between two nicely tended graves. Ivy was tightly woven over the tombstone, which my father then began to cut clean to free the inscription. That was the start and my family has been looking after this little grave ever since. Ultimately, it is written on the stone […] unforgettable child […]. Which he is, even if we didn’t know him.
For decades we have tried to find out whether there are still relatives. To no avail. The boy’s final resting place was not even registered in the cemetery and grave cadaster. Therefore, we more or less adopted this toddler because he was in our hearts for a long time.
2019 should come and suddenly a shock:
On the tombstone there were suddenly stickers from the cemetery administration saying they wanted to shut the grave down. On the very next day of this discovery, we heaven and earth to prevent this. The grave did not officially appear, and it was not that easy to accomplish to keep it. But “where there is a Willi, there is also a way“.
We registered the grave and paid for it for another ten years. Together, as a family. At the moment, it is mainly me looking after the grave; not just because I live in Graz, but simply because this story is soothing my heart and here I am closer to my father, who died in 2018, than anywhere else. I am continuing what he started and has done so candidly together with my mother for more than 40 years.
Nobody is forgotten as long as you think of them …
Das sind die Geschichten, die im Leben zählen. Wie besonders und berührend. Danke fürs Teilen.
Liebe Isolde, vielen lieben Dank für Deinen Kommentar… es stimmt, diese Geschichte begleitet mich schon fast mein ganzes Leben und wird es wohl noch lange, lange tun. Eine Bereicherung!